Konzept zur Betreuung von Menschen mit dementiellen Beeinträchtigungen

1. Einführung

„Die Lebenserwartung in Deutschland ist seit 1900 um mehr als 30 Jahre stark angestiegen und wird in Zukunft noch weiter ansteigen. Eine Gesellschaft des langen Lebens muss sich verstärkt mit den Grenzen des Alters auseinandersetzen. Mit fortschreitendem demografischem Wandel nimmt die Anzahl der chronisch kranken, pflegebedürftigen und demenzkranken Menschen zu; mit zunehmender Lebenserwartung wird es für jede Einzelperson zudem wahrscheinlicher, selbst einmal in derartigen Grenzsituationen des Alters zu stehen oder diese bei nahestehenden Menschen zu erleben. Eine Gesellschaft des langen Lebens konfrontiert in vielfältiger Weise mit der Begrenztheit, Endlichkeit und Endgültigkeit menschlichen Lebens. Dementsprechend ist in einer Gesellschaft des langen Lebens nicht nur die Entwicklung und Nutzung von Möglichkeiten des Alters, sondern auch der Umgang mit Grenzsituationen und die Erhaltung von Lebensqualität in Grenzsituationen eine zentrale Aufgabe.“

– Bericht der Bundesregierung zur Lage der älteren Generation 17.11.2010

Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, hat sich unser Träger schwerpunktmäßig für ein integratives Wohngruppenmodell entschieden, bietet darüber hinaus aber auch eine segregative Wohngruppe für Menschen mit mittlerer und schwerer Demenz an.

2. Zielgruppe

In unseren Einrichtungen werden Menschen mit den unterschiedlichsten Formen der Demenz betreut, die sich in verschiedenen Stadien des Krankheitsverlaufes befinden. Oftmals sind unsere BewohnerInnen multimorbid, was die einzelnen Krankheitsbilder (z.B. Depression und Demenz) unscharf werden lässt.

3. Leitprinzipien

Basis dieser Konzeption ist das Leitbild unserer Einrichtung.

3.1. Verständnis und Grundhaltung

  • Menschen mit Demenz sind für uns in erster Linie, unabhängig von ihren kognitiven Beeinträchtigungen, gleichberechtigte Personen, die über einen eigenen, freien Willen verfügen. Wir gestalten mit ihnen gemeinsam den Prozess der Pflege und Betreuung, dabei erschließen wir uns die Sichtweisen der BewohnerInnen durch verbale und nonverbale Kommunikation.
  • Wir handeln nach dem personenzentrierten Ansatz, der Mensch und nicht seine Erkrankung steht im Vordergrund. (Tom Kitwood, 1995)
  • Die Beobachtung der Körpersprache und ihre Interpretation ermöglichen ein Situationsverstehen.
  • Wir achten vor allem die individuell gelebte Realität jedes Einzelnen.
  • Wertschätzung, Echtheit und Empathie bestimmen die Grundhaltung.

3.2. Selbstbestimmung / Individualität

  • Die BewohnerInnen als individuelle Persönlichkeiten stehen immer im Mittelpunkt unserer Arbeit.
  • Wir arbeiten ressourcenorientiert und ermöglichen einen strukturierten Tagesablauf, der individuelle Gewohnheiten und Fähigkeiten einbezieht. Es gilt, den subjektiven Sichtweisen unserer BewohnerInnen Raum und Zeit zu geben, sie zu akzeptieren.
  • Abweichende Verhaltensweisen lassen wir zu oder gehen auf die BewohnerInnen so ein, dass ihr Wohlbefinden und ihre Selbstbestimmtheit möglichst gewahrt bleiben.
  • Wohlbefinden und Lebensqualität von Menschen mit Demenz werden nach dem in K 1.2.2.2 Konzept zur Erfassung des Wohlbefindens bei dementen BewohnerInnen anhand des Instrumentes Qualidem beschriebenen Verfahren systematisch ermittelt. Dabei steht immer die Selbsteinschätzung vor der Fremdeinschätzung.

3.3. Schutz und Freiheit

  • Unter Achtung der Würde der BewohnerInnen und Sorge für deren Wohlergehen ist uns die Abwendung von Selbst- und Fremdgefährdung unter größtmöglicher Wahrung des Freiheitsanspruchs ein großes Anliegen.
  • Unser Ziel ist es, eine fixierungsfreie Einrichtung zu sein. Freiheitsentziehende Maßnahmen sind nur unter sehr eng gesetzten Voraussetzungen möglich, bei denen immer eine sachgerechte, situativ bedingte Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch der BewohnerInnen und der Betreuungspflicht der Mitarbeitenden erfolgt.
  • BewohnerInnen mit Weg-/Hinlauftendenzen werden durch ein mobiles Meldesystem geschützt.

4. Krankheitsverlauf

4.1. Definition Demenz

Demenz ist der Oberbegriff für Erkrankungsbilder, bei denen eine Hirnschädigung zu einem schrittweisen Verlust des Gedächtnisses, des Denkens, der Erinnerung, der Orientierung oder der Verknüpfung von Denkinhalten führt.

4.2. Beeinträchtigungen im Vorstadium

  • ausgeprägter Mangel im Kurzzeitgedächtnis
  • Zunahme von Defiziten
  • Angst vor dem geistigen Verfall
  • Verleugnen oder überspielen von Fehlleistungen (Fassadentechnik)
  • Unerklärliche Stimmungsschwankungen
  • räumliche Desorientiertheit
  • Verlangsamung des Denkens

4.3. Beeinträchtigungen in der begleitungsbedürftigen Phase

  • Zunehmender Mangel im Langzeitgedächtnis
  • Zunehmender Verlust der Kognition
  • Sprachstörungen/ Wortfindungsstörungen
  • Vermehrte Unruhe
  • Desorientiertheit zur Zeit, zur Person und zur Situation
  • Sozialer Rückzug
  • Eingeschränkte Alltagskompetenz

4.4. Beeinträchtigungen in der versorgungsbedürftigen Phase

  • Störungen in den Bewegungsabläufen
  • Handlungsstörung
  • Erkennungsstörung
  • Störung der Kommunikationsfähigkeit
  • Beeinträchtigung der eigenständigen Mahlzeiteneinnahme
  • Verlust von Gegenwartsbezug und Zukunftsorientiertheit
  • Verlust der verbalen Kommunikation, Steigerung der emotionalen Ansprechbarkeit
  • Verlust des Sinns für Eigentum und Privatsphäre
  • Beginnende Inkontinenz
  • Verlust der Körpergrenzwahrnehmung
  • Beginnender Verlust der Schmerzlokalisation
  • Störung des Tag-, Nachtrhythmus

4.5. Beeinträchtigungen in der pflegebedürftigen Phase

  • vollkommene Hilfsbedürftigkeit
  • zunehmende Apathie
  • zunehmende Somnolenz
  • Krampfanfälle (selten)
  • reduzierter Allgemeinzustand

Die unterschiedlichen Phasen verlaufen selten in klar abgegrenzter Form, oftmals sind die Übergänge fließend.

5. Arbeitsansätze

5.1. Biografiearbeit

Um einen verstehbaren Zugang zu bestimmten Verhaltensweisen zu erlangen, ist die Biografiearbeit unerlässlich.

„Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beeinflussen das Erleben der Situation, bestimmen damit deren »kognitive Repräsentanz« und die Formen der Auseinandersetzung, die Reaktionsweisen oder auch die »Coping-Stile«.“

Lehr (2007). Psychologie des Alterns, 11. kor. Auflage. Wiebelsheim: Quelle & Meyer. S. 144

Uns ist es besonders wichtig, persönliche Vorlieben zu berücksichtigen und Antriebe des alten Menschen soweit wie möglich aufrecht zu erhalten. Um dies zu ermöglichen, ist das Kennen der individuellen Lebensgeschichte und des sozialen Umfeldes von großer Bedeutung. Wir ermitteln diese durch den hauseigenen Biografiebogen.
Informationen zur Lebensgeschichte, wie z.B. Gewohnheiten, Rituale, Vorlieben und Abneigungen der BewohnerInnen erleichtern das Kennen lernen und spätere Miteinander und tragen zum Wohlbefinden und zur Zufriedenheit aller bei. Wir erfahren, was den BewohnerInnen wichtig war, in ihrem Leben Raum einnahm und wobei sie sich als kompetent erlebten.
Die Achtung vor der persönlichen Lebensleistung und das Verständnis für die Verhaltensweisen der einzelnen BewohnerInnen ist Basis unseres Handelns.

5.2. Normalisierungsprinzip

Beim Normalisierungsprinzip werden jene Muster und Bedingungen des täglichen Lebens verfügbar gemacht, die den regulären Umständen und Lebensweisen in der betreffenden Gemeinschaft und Kultur so nahe wie möglich kommen.

Nach Walter Thimm hat das Normalisierungsprinzip Auswirkungen auf folgende Bereiche:

  1. normaler Tagesrhythmus
  2. normaler Wochenrhythmus
  3. normaler Jahresrhythmus
  4. die Erfahrung eines normalen Lebenslaufes
  5. Respektierung der Bedürfnisse des Individuums
  6. angemessener Kontakt zwischen den Geschlechtern
  7. Absicherung normaler ökonomischer und rechtlicher Standards
  8. normales Lebensumfeld in der Gemeinde

Primär gilt es, den „normalen“ Alltag zu gestalten. Unser Ziel ist es, für Menschen mit Demenz Lebensqualität zu schaffen und so weit wie möglich Freiräume für ein selbstbestimmtes Leben zu gestalten.

„Es zählt die Normalität und Wirklichkeitssicht der BewohnerIn, nicht die des Betreuers. Im Wesentlichen ist diese Pflege und Begleitung verbunden mit einem Gewähren lassen und einem hohen Maß an Toleranz gegenüber der BewohnerIn.“

– Dürrmann 2005

Der normale Alltag vermittelt das Gefühl, noch dazu zu gehören und noch mit vorhandenen Fähigkeiten gebraucht zu werden.

5.3. Milieugestaltung

„Milieutherapie umfasst die Veränderung des gesamten Wohn- und Lebensbereiches in Richtung auf eine vermehrte Anregung und Förderung von Fähigkeiten, die im Zuge der fortschreitenden Demenz zu verschwinden drohen. Gleichzeitig kann durch die Errichtung einer stützenden Umwelt versucht werden, die krankheitsbedingten Leistungseinbußen in verschiedenen Bereichen zu kompensieren. Für Menschen mit Demenz kann etwa durch die gezielte Anpassung der dinglichen Umgebung an die Störungen von Gedächtnis und Orientierung eine bessere „Ablesbarkeit“ der Umgebung und damit ein höherer Grad von Autonomie erzielt werden.“

– DAG Informationsblatt 6

Wir schaffen im Rahmen der Wohnraumgestaltung eine beschützte, wohnliche Umgebung mit praktischen Orientierungshilfen wie Symbole, Bilder, Objekte, Beschriftungen, zu denen die BewohnerInnen einen Bezug haben: Tastflächen, Düfte, Geräusche zur Förderung der Sensibilität und Stimulierung der Sinne, Rückzugsmöglichkeiten, Umgang mit Tieren.

Daraus resultiert eine an die Welt der BewohnerIn angepasste Gestaltung der Einrichtung sowohl im Wohnbereich als auch im BewohnerInnenzimmer:

• Harmonische Farbgebung (Pastellfarben) und eine gute Beleuchtung
• Ausgestaltung der Räume mit altersentsprechendem Mobiliar (Vertrautheit durch Langzeitgedächtnis), Vermeidung eines Krankenhauscharakters
• Persönliche Möbel und Gegenstände
• Jahreszeitgemäßer Raumschmuck
• Bewegungsmöglichkeiten innen wie außen, um dem Laufbedürfnis gerecht zu werden
• Entspiegelte und schattenfreie Bodenbeläge in allen Räumen
• Gartenanlage mit der Möglichkeit zur leichten Gartenarbeit (Kräuter oder Blumenecke)
• Spaziergänge (Erleben des jahreszeitlichen Wechsels)
• Großzügig und übersichtlich gestaltete und der BewohnerInnenzahl angepasste Wohnzimmer

5.4. Tagesstruktur

„Rituale haben für uns Menschen allgemein eine hohe Bedeutung.“

– Demenz-Service 16/Menschen mit Demenz und geistiger Behinderung begleiten/Handreichung für MA der Behinderten-und Altenhilfe/2015

Menschen mit Demenz bekommen einen für sie aus alten Zeiten bekannten täglich wiederkehrenden Ablauf angeboten, können jedoch jederzeit davon abweichen. Mahlzeiten und die dazwischen liegenden Angebote geben dem Tag einen strukturierenden Rahmen. Die individuellen Bedürfnisse stehen im Vordergrund. Mit zunehmender Demenz sind die Übergänge fließend bis hin zur kompletten Auflösung. Daher können BewohnerInnen morgens länger schlafen, später frühstücken, ausgiebig in ihrem eigenen Tempo die Mahlzeiten einnehmen- bei hohem Bewegungsdrang auch im Gehen. Das Mittagessen findet in Gemeinschaft statt und beginnt, wo gewünscht, mit dem Tischgebet. Im Wohnbereich befinden sich an fest definierten Plätzen Imbissstationen, die besonders für die Menschen mit erhöhter Unruhe während der Mahlzeiten eine passende Ergänzung zur Nahrungsaufnahme dienen sollen.
Passierte Kost wird am Mittag individuell nach Wünschen der BewohnerInnen und nach Angebot unseres aktuellen Speiseplanes frisch im Wohnbereich zubereitet.
Die Gestaltung der Esssituation basiert auf den Kriterien unseres Standards K 1.7.1.62 Servieren und Anreichen von Speisen und Getränken.
Die Möglichkeit besteht auch hier, dass jede Mahlzeit je nach Tagesverfassung angepasst werden kann. Frühstück und Abendessen können täglich nach eigenen Vorlieben und Gelüsten aus dem bereitgestellten Angebot ausgewählt werden.
Um die Selbständigkeit bei der Nahrungsaufnahme zu wahren, wird ein Sortiment von speziell vorgehaltenem Funktionsgeschirr individuell zum Einsatz gebracht.
Wer mag, kann sich an hauswirtschaftlichen Tätigkeiten beteiligen.
Durch die Tagesprogramme im Wohnbereich, die von den Betreuungsassistenten durchgeführt werden, wird zusätzlich versucht, eine Tagesstruktur zu schaffen. Die Angebote werden auf die aktuelle Bedürfnislage und auf die Erkenntnisse aus der Biografie der BewohnerIn angepasst. Wichtig ist, dass alle BewohnerInnen zusätzlich die Möglichkeit bekommen, an Hausangeboten wie z. B. Gruppenangeboten, Hausfesten, Gottesdiensten und auch Ausflügen teilzunehmen. Die tägliche Versorgung der Pflanzen unter Anleitung kann das Verantwortungsbedürfnis befriedigen. Auch ein Besuch im hauseigenen Café oder beim Friseur kann an alte Gewohnheiten erinnern.

5.5. Beziehungsgestaltung

Jeder pflegebedürftige Mensch mit Demenz erhält Angebote zur Beziehungsgestaltung, die das Gefühl, gehört, verstanden und angenommen zu werden sowie mit anderen Personen verbunden zu sein, erhalten oder fördern. Unsere personenzentrierte Pflege und Betreuung ist mit einer Grundhaltung verbunden, die die Person in den Mittelpunkt stellt und dabei die Demenz nicht als medizinisches Problem wahrnimmt, sondern den Menschen mit Demenz als einzigartiges Subjekt mit individuellen Unterstützungs- und Beziehungsbedarfen sieht.

5.6. Geeignete Methoden

Folgende Methoden können bei dementiell veränderten Personen eingesetzt werden.

  • Integrative Validation
  • 10-Minuten-Aktivierung
  • Angebote der Sinneswahrnehmung
  • Therapeutischer Tischbesuch
  • Einzelangebote
  • Bewegungsangebote (Sitztanz, Spaziergänge, Gymnastik)
  • Erfassungsinstrument zur Wahrnehmung des Wohlbefindens von Menschen mit Demenz (Qualidem)
  • Einsatz von Therapiepuppen
  • Musikalisches Angebot
  • Tiergestützte Fördermaßnahme (Hundebesuchsgruppe)

5.7. Angehörigenarbeit

Eine adäquate Betreuung von Menschen mit Demenz muss sich immer auf das gesamte Beziehungsdreieck BewohnerInnen-Mitarbeitende-Angehörige/Betreuer stützen. Nur ein optimales Zusammenspiel aller Personenkreise schafft die Voraussetzung für eine ganzheitliche Betreuungsarbeit. Die Angehörigen/ Betreuer nehmen in unserer Arbeit eine wesentliche Rolle ein. Sie sind ggf. als „biografische Experten“ die Brücke und der einzige Schlüssel zur Lebensgeschichte desorientierter BewohnerInnen. Siehe dazu auch K 3.3 Angehörigenarbeit.

6. Mitarbeitende

Für die angemessene Betreuung von Menschen mit Demenz sind die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit und die Verzahnung der Konzepte von Pflege und Sozialem Dienst notwendig. Den Einsatz von BetreuungsassistentInnen nach §43b SGB XI in der Pflege von Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz steuert der Soziale Dienst.

Der Umgang mit Menschen mit Demenz gehört zu den Aufgaben, die besondere Fachkenntnisse in Bezug auf Krankheitsbild und einfühlsame Umgehensweisen erfordern. Die Mitarbeitenden aller Abteilungen werden zur Leitidee unseres Konzeptes umfangreich geschult, um ein einheitliches Grundverständnis aufzubauen.

Soziale Kompetenz ist für die Mitarbeitenden besonders wichtig. Dabei sind Einfühlungsvermögen, persönliche Reife, Geduld und Humor, Belastbarkeit, Distanzfähigkeit und die Bereitschaft zur Supervision und regelmäßiger Fortbildung wesentliche Grundvoraussetzungen. Unsere Mitarbeitenden zeichnen sich aus durch Empathiefähigkeit, respektvolle Begegnung mit BewohnerInnen und KollegInnen, Neugierde, Flexibilität und eine reflektierende Grundhaltung. Heimleitung und Mitarbeitende berücksichtigen in ihrer Arbeit, dass sie sich im Zuhause der von ihnen begleiteten Menschen befinden.

Wer pflegt, braucht Pflege. Der tägliche Umgang mit dementen Menschen ist ein nie endendes und zugleich schwieriges und permanentes Bemühen um angemessene Kompromisse. Um ein Burn-out-Syndrom frühzeitig vorzubeugen, benötigen Pflegende gezielte Unterstützung und Begleitung etwa als

  • Jährliche Mitarbeitergespräche
  • Regelmäßiges Übergabegespräch
  • Teambesprechungen
  • Fallbesprechungen
  • Angemessene räumliche und personelle Rahmenbedingungen
  • Berücksichtigung von Erholungsphasen bei der Dienstplangestaltung
  • Begleitung bei ethischen Fragestellungen
  • Seelsorgliche Begleitung in Form von Gesprächen, Schulungen
  • Gemeinsames Feiern

7. Ehrenamt

Einige ehrenamtlich tätige Mitarbeitende der Häuser unterstützen aufgrund ihrer persönlichen und fachlichen Eignung BewohnerInnen mit Demenz. Sie werden dabei von hauptamtlich Mitarbeitenden begleitet und fachlich unterstützt. Für diese Aufgaben werden ehrenamtlich Mitarbeitenden Fort- und Weiterbildungen angeboten.

8. Fortbildung

Die Mitarbeitenden werden dahingehend geschult, dass sie in der Lage sind, den spezifischen Anforderungen im Umgang mit Menschen mit Demenz fachlich und menschlich gerecht zu werden. Die Mitarbeitenden nehmen an hausinternen Fachschulungen teil und/oder werden durch externe Fortbildungen qualifiziert, wie es das Konzept Fort- und Weiterbildung vorsieht.

9. Der „Hans Krause“-Wohnbereich (Wohnbereich für Menschen mit Demenz) im Kontext unserer Einrichtung

9.1. Entstehungsgeschichte

Sowohl bei der Erbauung unserer Einrichtung in Lohmar 2008 als auch bei der Erweiterung um zwei weitere Wohnbereiche im Jahr 2014 sah der Träger keinen gerontopsychiatrischen Schwerpunkt vor. Im Zuge der Belegung von 51 neuen Plätzen, ergab es sich, dass in den Wohnbereich 3 überwiegend Menschen mit Demenz einzogen. Einer von ihnen, Hans Krause, stellte in der facettenreichen Ausprägung seiner Erkrankung eine besondere Herausforderung an die Pflege- und Betreuungskräfte dar, und löste bei diesen eine konstruktive Auseinandersetzung zu einer konzeptionellen Neuausrichtung aus. Immer im Hinblick auf das Wohlbefinden des Einzelnen aber auch der Gruppe wurde viel ausprobiert. Z.B. wurden bestimmte BewohnerInnen mit herausforderndem Verhalten aus den anderen Wohnbereichen tagsüber gemeinsam mit den BewohnerInnen des „Hans Krause“-WB betreut. Hier zeigte sich eine sichtbare, positive Verhaltensänderung. Diesen BewohnerInnen wurde ein Umzug angeboten, der auch vollzogen wurde. Die Wohngruppe wurde zunehmend homogener und positive Effekte immer deutlicher.

Der Entschluss zur Errichtung einer segregativen Wohnform wurde zudem dadurch bestärkt, dass unsere Auszubildenden somit nicht mehr zur Absolvierung eines gerontopsychiatrischen Praktikums ins „Fremdpraktikum“ geschickt werden müssen.

9.2. Konzept

Das oben beschriebene Konzept für die integrativen Bereiche unserer beiden Einrichtungen gilt gleichermaßen auch für unseren Wohnbereich für Menschen mit Demenz. Nachfolgende Ausführungen gehen lediglich auf die speziellen Bedingungen ein, die zur Stabilität und Verlässlichkeit der Umwelt für unsere BewohnerInnen im „Hans Krause“ Wohnbereich beitragen sollen.

„Denn nur da bin ich zu Hause, wo ich jede Tür und jede Schublade öffnen kann!“

Konzept St. Josef, Kerpen Buir

Wir möchten, dass die Menschen mit Demenz sich in unserem Wohnbereich wie zuhause fühlen können. Um dies zu erreichen, versuchen wir den BewohnerInnen so viel Freiraum wie möglich zu gewähren, der ihnen in integrativen Wohnbereichen durch die nicht an Demenz erkrankten BewohnerInnen häufig eingeschränkt wird. Unser Wohnbereich ist ein Ort zum Anfassen und Erleben.
Unsere BewohnerInnen dürfen in jedes offene Zimmer eintreten, nicht nur in ihr eigenes. „Fehlhandlungen“, wie z.B. in einem anderen Bett liegen, werden akzeptiert und nicht korrigiert. Stress und Eskalation werden somit vermieden.
Eine Schlafgemeinschaft für demente Menschen mit Ängsten vor dem Alleinsein wird vorgehalten.

Kommunikation und Pflege

Die Mitarbeitenden bieten den Menschen mit Demenz eine familiäre und, wo möglich/sinnvoll, eine freundschaftliche Umgebung. Die Kommunikation erfolgt grundsätzlich positiv gestützt.

„Menschen mit Demenz reagieren je nach Demenzstadium unterschiedlich auf unsere Ansprache. Die jeweilige Form der Ansprache richtet sich nach dem Wunsch des Menschen mit Demenz bzw. ggf. der Angehörigen/Betreuer, nach seiner Prägung und seiner geistigen Erreichbarkeitsstufe. Die Reaktion des Menschen mit Demenz auf den Spitz-, Mädchennamen, den Vornamen usw. wird im Team besprochen und dokumentiert.“

– Wikipedia

Feste Bezugspflegekräfte bauen Vertrauen und Sicherheit bei den Menschen mit Demenz auf. Die Wahl der Bezugspflege entscheidet der aktuelle Zugang zu der jeweiligen Person. Vorhandene Ressourcen werden genutzt und gefördert. Angehörige sind ein wichtiges Bindeglied zwischen BewohnerInnen und den Mitarbeitenden.

Dienstplan

Dienstpläne werden flexibel an Hand der Tagesstruktur (Langschläfer-Frühstück / Nachtcafé) und den individuellen BewohnerInnenbedürfnissen gestaltet. Zu Kernzeiten (Mittagsbetreuung) werden überlappende Dienste vorgesehen.

Mitarbeitende

Um einen vertrauensvollen Umgang mit den BewohnerInnen zu leben, wird darauf geachtet, nur qualifiziertes Stammpersonal einzusetzen.
Auszubildende, die sich im gerontopsychiatrischen Praktikum bei uns im Haus befinden, werden zunächst durch den Sozialen Dienst begleitet, um zu den Menschen mit Demenz ein Vertrauensverhältnis aufbauen zu können.
In der 2. Phase des Praktikums wird der Auszubildende durch eine Fachkraft mit gerontopsychiatrischer Zusatzqualifikation begleitet. So ist gewährleistet, dass sowohl die BewohnerInnen als auch der Auszubildende durch den langsamen Beziehungsaufbau Vertrauen zueinander gewinnen. Um dies sicherzustellen, werden nicht mehr als zwei Auszubildende zeitgleich für das Praktikum vorgesehen. Der Einsatz von Praktikanten wird individuell geprüft und entschieden. Kurzzeitpraktikanten werden für diesen WB nicht vorgesehen.

Fallbesprechungen, Schulungen, Kooperationen mit Fachärzten

Die Mitarbeitenden des Wohnbereichs für Menschen mit Demenz werden regelmäßig intern oder extern anhand eines eigens dafür entwickelten prospektiven FB-Planes geschult. Dies kann innerhalb von kleinen Mittagsunterweisungen erfolgen. Spezifische wohnbereichsbezogene Themen sind notwendig, um ein fachlich fundiertes Wissen u.a. auch für Fallbesprechungen aufzubauen.
Die Fallbesprechung dient uns vorrangig zum Einsatz bei herausforderndem Verhalten, das bei 80-90% aller Erkrankten im Krankheitsverlauf auftreten kann.
Der Begriff „herausforderndes Verhalten“ beschreibt wiederkehrende Verhaltensweisen, wie z.B. Agitation, Depression, Angst, Aggression, die vom sozialen Umfeld als unangepasst und als nicht situationsgerecht empfunden werden. Herausfordernde Verhaltensweisen sind ein Resultat der Unfähigkeit „sich verständlich zu machen“, eine Reaktion auf eine Welt, die einem nicht mehr vertrauensvoll und verlässlich ist. (Jantzen, Wolfgang 2001)

9.3. Spezielle Milieugestaltung für den Wohnbereich für Menschen mit Demenz

Spezielles Wohnumfeld

  • Jahreszeitgemäßer Raumschmuck, nicht giftig, unzerbrechlich und mobil
  • In der Wohnküche/Flure, Möglichkeit die Fenster durch Vorhänge zu entspiegeln
  • Geschützte Terrassenanlage mit der Möglichkeit zur leichten Gartenarbeit (Kräuter oder Blumenecke)
  • Unkenntlichmachung der Ausgänge inkl. Aufzug
  • Kennzeichnung von persönlichem Eigentum
  • Gezieltes Einsetzen von Reizen (z. B. adäquates Musikangebot zu bestimmten Zeiten)
  • Musik-/Lese-/Essbereich für begleitete Kleingruppen
  • Individuelle religiöse Angebote
  • Parkbank für innen und außen
  • Fingerfood und Getränke werden 24 Stunden an verschiedenen Plätzen im Wohnbereich angeboten.